C

Etablierung der Tenure-Track-Professur

C1 Einführung, Fragestellung und wissenschaftspolitischer Diskurs

Die Tenure-Track-Professur (TTP) ist ein neuer Karriereweg zur Lebenszeitprofessur. Sie ergänzt die bisherigen Karrierewege. Ziel der Einführung war unter anderem eine frühere Selbstständigkeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ein geringeres Erstberufungsalter, eine verbesserte Planbarkeit wissenschaftlicher Karrierewege und eine Steigerung der internationalen Attraktivität des deutschen Karrieresystems.

Das Bund-Länder Programm (BLP) zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sah die Einrichtung von zusätzlichen 1.000 TTPs bis 2022 vor. Seit der Bekanntmachung der zugehörigen Verwaltungsvereinbarung im Jahr 2016 ist das Programm thematischer Bezugspunkt der wissenschaftspolitischen Diskussion zum Thema TTP. Das Programm und der Karriereweg werden im Grundsatz von einer Vielzahl wissenschaftspolitischer Akteure begrüßt, auch wenn einzelne Rahmenbedingungen und Effekte der Förderung sowie spezifische Merkmale des Karrierewegs kritisch diskutiert werden.

Infolge der umfangreichen Förderung der TTP durch Bund und Länder sind erste Schritte in Richtung eines Kulturwandels erkennbar. Es werden zunehmend Programme für WiKa geschaffen, die wissenschaftliche Karrierewege transparenter und planbarer machen sollen. In neun Bundesländern wurden insgesamt 14 Fördermaßnahmen und -programme initiiert, die das BLP flankieren. Gefördert werden dabei Personal- und Sachmittel, einzelne Stellen, Stipendien oder Mentoring- und Vernetzungsangebote. Besonderer Fokus liegt hier zumeist auf der Förderung von Wissenschaftlerinnen (bei neun Programmen werden ausschließlich Frauen gefördert).

C2 Die Tenure-Track-Professur im Karrieresystem zur Professur

Der Struktur- und Kulturwandel schlägt sich auch in den Zahlen nieder: Seit 2018 hat sich die Zahl der TTPs mehr als verdoppelt (Steigerung um 101%), von 665 (2018) auf 1.336 Personen (2022). Insbesondere in den Ingenieurwissenschaften (Steigerung um 198%) sowie in Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik (Steigerung um 113%) kann eine deutliche Zunahme festgestellt werden. Die neuen Karrierewege Juniorprofessur mit Tenure-Track (TT) und W2-Professur mit TT nehmen in der zeitlichen Entwicklung seit 2018 deutlich zu, scheinen dabei aber nicht nur den klassischen Weg zur Professur über die Habilitation, sondern in starkem Maße auch die Qualifizierungswege über die Nachwuchsgruppenleitung und die Juniorprofessur ohne TT zu ersetzen (s. Abb. 14).

Die Anzahl der Frauen an den TTPs hat sich von 238 im Jahr 2018 auf 583 im Jahr 2022 erhöht, was einer Steigerung um 145% entspricht. Dieser Anstieg ist damit überproportional im Vergleich zur Gesamtsteigerung der TTPs (101%). Auch der Anteil der Frauen an TTPs weist im Vergleich zu allen Karrierewegen mit 8 Prozentpunkten den höchsten Anstieg auf und liegt im Jahr 2022 bei 44%.

Während sich die Anzahl der Professuren mit TT seit 2018 mehr als verdoppelt hat, sank die Anzahl der Juniorprofessuren (JP) ohne TT und die der Nachwuchsgruppenleitungen (NWGL) im selben Zeitraum um jeweils etwa ein Viertel (24 beziehungsweise 28%). Bei den laufenden Habilitationen ist eine leichte Steigerung zu verzeichnen (um 8%, wobei die Zahl zwischen 2020 und 2022 leicht rückläufig ist), während die Anzahl der Habilitationen seit 2018 stagniert. Die TTP hat also in diesem Zeitraum, auch relativ zu den anderen Qualifizierungs- und Karrierewegen zur Professur, einen
starken Zuwachs erfahren (s. Abb. 14).

Karrierewege zur Professur an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen von 2018 bis 2022 nach Art des Karrierewegs (in %)

0 50 100 150 200 250 2018 2019 2020 2021 2022 % Professuren mit IT JP ohne TT NWGL Habilitationen Laufende Habilitationen laufende Habilitationen – 2018: 100 laufende Habilitationen – 2019: 105 laufende Habilitationen – 2020: 110 laufende Habilitationen – 2021: 109 laufende Habilitationen – 2022: 108 108 Habilitationen – 2018: 100 Habilitationen – 2019: 99 Habilitationen – 2020: 100 Habilitationen – 2021: 106 Habilitationen – 2022: 100 100 NWGL – 2018: 100 NWGL – 2019: 88 NWGL – 2020: 75 NWGL – 2021: 68 NWGL – 2022: 73 73 JP ohne TT – 2018: 100 JP ohne TT – 2019: 92 JP ohne TT – 2020: 86 JP ohne TT – 2021: 82 JP ohne TT – 2022: 76 76 Professuren mit IT – 2018: 100 Professuren mit IT – 2019: 111 Professuren mit IT – 2020: 141 Professuren mit IT – 2021: 168 Professuren mit IT – 2022: 201 201
20182019202020212022
Professuren mit TT100111141168201
JP ohne TT10092868276
NWGL10088756873
Habilitationen10099100106100
Laufende Habilitationen100105110109108

Quelle: Begleitstudie „Etablierung des Karrierewegs der Tenure-Track-Professur im deutschen Wissenschaftssystem“; Sonderauswertung Statistisches Bundesamt; eigene Darstellung

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C3 Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen

In allen Bundesländern sind die Rahmenbedingungen für die Implementierung von TTPs an den Hochschulen gegeben. Landesrechtliche Unterschiede bestehen im Hinblick auf die Regelungsmodalitäten sowie den Detailgrad der Umsetzung.

Je weiter der landesrechtlich vorgegebene Rahmen gefasst ist und je weniger detailliert die Vorgaben im jeweiligen Landeshochschulgesetz sind, desto mehr verlagert sich die Ausgestaltung beziehungsweise die Operationalisierung der Rahmenbedingungen auf die Ebene der Hochschulen und deren satzungsrechtliche Regelungen. Insbesondere bei der Ausgestaltung der „qualitätsgesicherten Evaluierung“ ist dies zu beobachten.

Bei einem Vergleich der Landesgesetze zum Zeitpunkt vor und nach dem Beschluss der Bund-Länder-Vereinbarung zum BLP (2016) zeigt sich ein deutlicher Anstieg von Ländern, die den TT in ihren Landeshochschulgesetzen geregelt haben.

C4 Die Etablierung der Tenure-Track-Professur an den Hochschulen

Die Einführung der TTP hat die Organisationsstrukturen und die Abläufe an den Hochschulen verändert. Dies wird vor allem bei einer Analyse der zum TT erlassenen rechtlichen Regelungen an den Hochschulen wie Satzungen und Ordnungen sichtbar. Den Schwerpunkt in den Satzungen bilden die Regelungen zum Verfahren der Tenure-Evaluation, zur Vereinbarung der Kriterien für die Evaluation und zum Übergang auf die Lebenszeitprofessur bei erfolgreicher Evaluation.

Das Verfahren der Tenure- Evaluation bietet an mehreren Stellen Möglichkeiten, die spezifischen Bedarfe und Umstände jeder einzelnen Hochschule zu berücksichtigen. Dies betrifft auch die Auswahl und Ausgestaltung der Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Verfahren.

Bei Professuren, für die landesrechtlich eine zusammenhängende TT-Phase von fünf oder sechs Jahren möglich ist und bei der kein verpflichtendes Zwischenprüfverfahren vorgesehen ist, kann eine Zwischenevaluation zur Orientierung über den weiteren Karriereweg sinnvoll sein.

C5 Die Tenure-Track-Professur im internationalen Vergleich

Aufgrund der Vielschichtigkeit, Komplexität und länderspezifischen Besonderheiten entziehen sich die betrachteten Hochschulsysteme (Österreich, Schweiz, Niederlande) einem direkten Vergleich in Bezug auf die TTP. Ein Vergleich einzelner Merkmale, ohne Bewertung eines Systems als attraktiver oder weniger attraktiv, ist jedoch möglich.

In den drei Vergleichsländern genießen die Universitäten ein wesentlich höheres Maß an Personal- und Finanzautonomie als in Deutschland. Gleichzeitig ist die Regelungsdichte bezogen auf TTPs in allen drei Vergleichsländern deutlich geringer als im deutschen Hochschulsystem. Dadurch ist die Ausgestaltung in deutlich höherem Maße als in Deutschland in die Hände der Universitäten gelegt. Dies befähigt die Universitäten einerseits, das Portfolio von Personalkategorien so auszugestalten und einzusetzen, dass es den jeweiligen Bedürfnissen entspricht. Andererseits wird das jeweilige System durch die hohe Zahl individueller Regelungen intransparenter als das deutsche System.

Deutschland ist das einzige Land in der betrachteten Gruppe, in dem eine Professur mit einer Verbeamtung einhergeht. Dadurch ist die Gewährung von Tenure mit besonderen Implikationen verknüpft. Etwa müssen neben der rein fachlichen Bewertung die allgemeinen dienstrechtlichen Anforderungen erfüllt sein. Ferner bietet eine Verbeamtung attraktive Vorteile, die sich durchaus positiv auf die Bewerbung des Karrierewegs im In- und Ausland auswirken können.